Literatur & Zeitgeschehen

Kategorie: Literatur (Seite 1 von 58)

Zauber der Stille ~ Florian Illies

Auf der FBM 2023 folgte ich einem Interview, bei dem Florian Illies interessante Einblicke bezüglich seines neuen Buches und der Hauptperson Caspar David Friedrich. Mir wurde dort klar, dieses Buch muss ich unbedingt lesen.

Wer war dieser Caspar David Friedrich? Florian Illies führt durch eine literarische Reise, gegliedert durch die Elemente Feuer, Wasser, Erde, Luft. Er erzählt über den Maler Caspar David Friedrich, ein Künstler der Frühromantik, dem es außerordentlich gut gelang abendliche Himmel so authentisch darzustellen, dass er später Walt Disney inspirierte, dieses Szenario in dem Film >Bambi< nachzubilden. Aber halt, wer war denn dieser besagte Maler überhaupt? Caspar David Friedrich wird 1774 in Greifswald geboren, er verliert schon in jungen Jahren seine Mutter. Dieser Verlust ist prägend für sein ganzes Leben. Er ist eigenbrötlerisch und introvertiert. Seine Emotionen drückt er in seinen Bildern aus. Und da kommen wir auch schon auf die Elemente zurück. Während seine Künstlerkollegen im Licht malen, zieht Caspar David Friedrich eine Art Dunkelkammer vor. In diesem Rahmen fühlt er sich wohl und ihm gelingen Bilder voller Magie und Faszination. Nur Menschen wohlen ihm einfach nicht glücken, so malt er sie in der Seiten – oder Rückenansicht.

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Baumgartner ~ Paul Auster

Ich muss sagen, als ich dieses Buch in den Händen hielt, war ich gerührt. Ich schätze die Bücher von Paul Auster sehr, sie begleiten mich seit Jahrzehnten. Ich weiß um die schwere Erkrankung des Schriftstellers. Wehmut kommt auf. Ich hoffe inständig auf weitere Bücher von ihm.

So tauche ich ab in diesen Roman. Lese langsam, um das Ende hinauszuzögern.

Professor Seymor T. Baumgartner, kurz Sy, ist ein über siebzigjähriger Witwer. Er hat vor zehn Jahren seine Frau Anna auf tragische Weise verloren. Er lebt zurückgezogen in seinem kleinen Häuschen. Anna war seine große Liebe, sein Lebensmittelpunkt. Seit zehn Jahren schleppt er diese immense Trauer mit sich, die ihn nicht loslässt. Sy schwelgt gerne in seinen Erinnerungen um die Zeit mit Anna. Immer wieder keimen Situationen und Begebenheiten auf. Doch immer wieder taucht er ebenso in die Retrospektive seiner schweren Kindheit, seiner Herkunft, seines Lebenweges. In einer Vision hat er Kontakt zu seiner verstorbenen Frau. Das löst eine große Emotion bei Sy aus. Anna war Übersetzerin und Dichterin. Unzählige Notizen und Manuskripte füllen immer noch ihr Arbeitszimmer. Nun scheint die Zeit für Sy gekommen und er liest, was Anna geschrieben hat.

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Und was ich dir noch erzählen wollte ~ Dorothy Gallagher

Ben, Dorothy Gallaghers Mann starb nach langer schwerer Krankheit im Juni 2010. Dorothy verkauft die Wohnung, in der sie dreißig Jahre mit ihrem Mann lebte und zieht ein paar Straßen weiter in ihre Studiowohnung. Sie ist ihr Leben lang Fotografin und Autorin und so nimmt sie ihre Umwelt aufmerksamer und intensiver war.

Ich habe mich an die Stille gewöhnt, ich lebe ohne Stimmen oder Schritte. Manchmal kreischt unten eine Sirene, manchmal klingelt das Telefon, aber meistens höre ich nur das Klingeln in meinen Ohren und das Klicken meines Kühlschranks beim An – und Ausgehen. Und den Wind… 

Seite 15
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Das Schloss der Schriftsteller ~ Uwe Neumahr

Vor 85 Jahren, in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, der Pogromnacht, starteten die Nationalsozialisten ihre unfassbaren Verbrechen. Hier in diesem Buch befinden wir uns im Jahre 1946. Der Zweite Weltkrieg ist vorbei, Deutschland hat diesen Krieg verloren und den Kriegsverbrechern soll der Prozess gemacht werden. Im Schloss Farber-Castell finden sich die berühmtesten Schriftsteller und Reporterinnen ein, um über die Nürnberger Prozesse zu berichten. Unter dieser Menge sind Namen wie: Erich Kästner, Erika Mann, Martha Gellhorn, Golo Mann, Willy Brandt, John Dos Passos und Wolfgang Hildesheimer, nur um hier ein paar davon zu nennen.

Sie alle vereinte die Suche nach dem warum und wie dieses Armageddon geschehen konnte. Unter kargen Verhältnissen wohnen sie alle unter einem Dach und verfolgen aufmerksam die unerträglichen Berichte über die Nazigräueltaten.

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Ein Mädchen mit Prokura ~ Christa Anita Brück

In der Reihe rororo Entdeckungen erscheinen Romane bemerkenswerter, aber bereits vergessener Autorinnen aus dem zwanzigsten Jahrhundert. Den Beginn macht Christa Anita Brück mit > Ein Mädchen mit Prokura<.

1931 in Berlin. Die junge Thea Iken hat es geschafft. Sie ist Prokuristin im Bankhaus Brüggemann Sohn. Die alleinstehende Frau arbeitet viel, ist absolut loyal, kurzum tadellos. Der Bankdirektor vertraut Thea, beide pflegen einen freundschaftlichen Umgang miteinander. Herr Brüggemann ist Witwer und sein jugendlicher Sohn sieht in Thea eine Art von Ersatzmutter.

Jedoch reagieren die üblichen Angestellten Thea gegenüber äußerst missgünstig. Ein Weibsbild auf einem Männerposten, unmöglich!

Oh, er hasst dieses Weib. Er hasst sie mit der ganzen Wut seines unbefriedigten Ehrgeizes. Er wäre Prokurist hier, wenn sie es nicht geworden wäre.

Seite 25
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Die Befreiung ~ Roland Freisitzer

Was für eine Story! Gleich einmal vorweg, > Die Befreiung < erwies sich als wahrer Pageturner. Doch erstmal zum Inhalt:

Kambodscha, fast eine Woche lang hat die untergetauchte Clara einen Mann im Visier. Er ist immer alleine, sitzt an der Theke, trinkt einen Whiskey nach dem anderen und verfährt ebenso mit seinen Zigaretten. An ihrem letzten Abend, bevor sie zu ihrer Mutter reist, nimmt sie sich allen Mut zusammen und spricht ihn an. Besagter Mann erweist sich als Schriftsteller, der für seinen zweiten Roman noch einen interessanten Plot sucht. Bei einem längeren Gespräch stellt sich heraus, dass er Clara kennt. Er kennt die berühmte und erfolgreiche Clara aus den Medien, die dann auf einmal in der Versenkung verschwand. Und so kommt es, dass Clara ihm ihre Lebensgeschichte erzählt.

Clara entpuppt sich in ihrer Kindheit als vielversprechendes Klaviertalent. Ein fatales Geschehnis macht alles zunichte und Clara zieht sich zurück. Jedoch kommt der Tag an dem Clara wieder in die Musikwelt eintaucht. In eine von ausschließlich Männern beanspruchten Domäne, die des Dirigierens. Clara kämpft darum eine große Dirigentin zu werden.

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Glas ~ Verena Prantl

Ein Debüt-Roman der ganz anderen Art, einer Art die unter die Haut geht. Und wenn ich es mir recht überlege, habe ich bis dato noch nie ein Buch über die geballte Ladung an Angst, Minderwertigkeitsgefühlen, Selbstzweifel, Empörung und Paranoia gelesen zu haben. Mit > Glas < ist diese Lücke absolut gefüllt.

Hier geht es um Eva Aspis, eine junge Frau Anfang zwanzig. Sie ist immer noch auf der Suche nach ihrer eigenen Identität. Doch ihrer extremen Unsicherheit macht ihr da einen dicken Strich durch die Rechnung. Befreundet ist Eva mit der perfekten Mirjam. Sie repräsentiert alles, was Eva an sich selbst so vermisst. Mirjam ist ausgesprochen hübsch und sehr selbstbewusst.

Eva lernt Aron kennen und kurze Zeit lebt Eva in Zuversicht und Unbeschwertheit. Doch dieses Glück ist nicht von langer Dauer. Ihre Dämonen nehmen nach und nach wieder von ihr Besitz. Eva verfällt immer weiter in einen Realitätsverlust und fühlt sich verfolgt. Sie bittet niemanden um Hilfe und anstatt sich zum Beispiel Mirjam anzuvertrauen legt sie sich ein Tagebuch zu und beginnt das Erlebte niederzuschreiben.

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Über die Berechnung des Rauminhalts II ~ Solvej Balle

Weiter geht die Reise mit der Tara Selter, die aus unerklärlichem Grund, nun schon seit einem Jahr, im 18. November feststeckt. Sie weiß weder wie das passiert ist noch wie sie diesem Drama wieder entfliehen kann.

Ich weiß, dass es mit dem achtzehnten November weitergeht. Ich weiß nicht, was ich mit dem Tag anfangen soll, aber ich weiß was ich zu erwarten habe. Achtzehnte November habe ich zu erwarten, nichts anderes.

Seite 9

Doch Tara ist eine Frau der Tat, sie versucht auf verschiedene Weise ihrer Zeitschleife zu entkommen. Sie setzt sich Ziele, besucht ihre Eltern und reist umher. Sie versucht andere Jahreszeiten zu erleben als immer den grauen Novembertag. So erlebt sie den Winter im hohen Norden und den Frühling und Sommer im Süden. Auf ihren Reisen beobachtet sie ihre Umgebung sehr genau und schildert ihre Eindrücke in einer intensiven, poetischen Weise, die mich begeistert. Tara ist sich sehr sicher, dass sorgfältiges Zuhören jedes Problem lösen kann. Und wenn man es nicht in den Gesprächen der Menschen findet, dann vielleicht im Gesang der Vögel oder im Geräusch des Windes. Und so saugt sie alles in sich auf, in der Hoffnung einen Ansatz zu finden, der sie aus ihrem zeitlichen Gewahrsam erlöst.

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Keine Heiligen ~ Roskva Koritzinsky

Als ich dieses Buch, gefüllt mit Kurzerzählungen, beendet hatte, war mir augenblicklich klar, da ist so viel Potenzial, dass ich noch nicht erkannt habe. Dieses Buch habe ich nun ein zweites Mal gelesen. Ob ich nun mehr begriffen habe, ich denke schon, doch nicht alles.

In diesen Erzählungen geht es hauptsächlich um Inez und Martin. Geschwister die in Lieblosigkeit aufwachsen. Ohne Vater, doch mit einer Mutter, die sich eher nach körperlicher Nähe von ständig wechselnden Männern sehnt und sich bedient, anstatt ihren Kindern Fürsorge zu geben. Inez und Martin leben ihr Leben, gezeichnet durch das Traumata ihrer Kindheit und nicht wissend, was Liebe ist. Was Liebe vermag.

Lilly arbeitet in einem ehemaligen Kloster, nun eine Anstalt. Dort befinden sich Patienten, bei denen es nicht klar ist, ob sie nun freiwillig sich hinter diesen Mauern befinden. Lilly sinniert über ihre frühere Freundin Vivian nach. War es überhaupt eine Freundschaft? Kann man eine Freundin sein, wenn man sich minderwertig findet?

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Dich zu verlieren oder mich ~ Homeira Qaderi

Ich muss zugeben, dieses Buch hat mich sehr mitgenommen. Ich habe viel über mein doch priviligiertes Leben und konträr über Homeira Qaderi und die unzähligen anderen Frauen nachgedacht. > Dich zu verlieren oder mich < ist eine wahre Geschichte einer afghanischen Mutter, die zwischen Verantwortung zu ihrem Sohn und ihrem Wunsch nach Freiheit entscheiden muss.

Homeira wächst in der Zeit der russischen Besetzung in Afghanistan auf. Sie ist ein energiegeladenes und aufgewecktes Kind und zu jung um die Angst zu verspüren, dass ein Geschoss der Russen sie jeder Zeit treffen könnte. Die Jahre vergehen, doch dieser Krieg legt sich wie eine zähe Masse über das Land. Als dann die Russen endlich abziehen, wütet weiter ein Bürgerkrieg und danach lassen die Taliban nicht lange auf sich warten. Homeira ist ein Teenager, besucht die Schule, liest und schreibt gerne. Doch das ist den Taliban ein Dorn im Auge. Sie lassen die Mädchenschulen schließen, weibliche Wesen dürfen nicht mehr ohne Grund das Haus verlassen. Die Burka wird Pflicht. Für Homeira eine Zeit der Qual. Jedoch gibt sie sich mit ihrem da sein nicht zufrieden. Heimlich unterrichtet sie einige Mädchen in Lesen und Schreiben. Ihr ist bewusst welcher Gefahr sie sich aussetzt, doch für diese Art von Freiheit nimmt sie das gerne in Kauf.

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