Dies ist die Lebensgeschichte eines einfachen Mannes. Erzählt wird die Geschichte von seinem Akademiker-Sohn José Henrique Bortoluci. Sein Vater ist José, alle nennen ihn im Ort Didi, doch auf der Straße, als Lkw-Fahrer, hieß er Jaú. Gut fünfzig Jahre fuhr Didi seinen Lkw, begonnen hatte er mit 22 Jahren. Didi, der Wochen und Monatelang unterwegs war. Didi, der Sohn italienischer Einwanderer, der mit sieben Jahren zu arbeiten begann. Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Heiratete Dirce und gründete eine Familie.
Didi war die meiste Zeit seines Berufslebens mehr auf den Fernstraßen Brasiliens unterwegs als zu Hause bei seiner Familie. Doch wenn er nach Hause kam, brachte er immer neue Wörter für José mit.
Wörter waren die Geschenke, die mir mein Vater in meiner Kindheit in seinem LKW mitbrachte. Sie existierten für sich – Fahrersitz, Transamzonica, Lkw, Fernstraße, Amazonaswelle, Belém, Heimweh -, oder fügten sich zu Geschichten über eine Welt zusammen, die mir viel zu groß erschien. Ich musste sie mir in all ihren Farben ausmalen, sie mir einprägen und mich an ihnen festhalten, denn bald würde mein Vater erneut wegfahren und erst vierzig, fünfzig Tage später wiederkommen.
Seite 11
Im 48. Lebensjahr diagnostizierte man bei Didi ein schweres Herzleiden. Jahre später wurde er zum Krebspatienten. Und in diesem krankheitsbedingten Ruhestand erzählt er seinem Sohn von seinen Erlebnissen auf den Straßen.
Vergessene Helden. Nach fünfzig Jahren im Lkw und auf der Straße weiß ich das ganz sicher. Lkw-Fahrer sind vergessene Helden. Schlecht behandelt, nicht gewertschätzt. Nur dank euch bin ich nicht vergessen. Keiner weiß einen zu würdigen, keiner. Oder sieht das Land von den Leuten, die morgens um zwei aufstehen, bis halb zwölf oder auch Mitternacht schuften, nichts zu essen haben und sich der Gefahr aussetzen, dass sie bei einem Unfall sterben oder überfallen werden, und die Härte ertragen, immer von der Familie getrennt zu sein.
Seite 27
José Henrique Bortolucis Buch ist mehr als eine bewegende Hommage an seinen Vater. Gekonnt thematisiert er die brasilianische Militärdiktatur, die Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes und damit verbundene Auslöschung indiger Kulturen. Er zitiert u.a. Susan Sontag, Ernest Hemingway und Swetlana Alexijewitsch. > Was von meinem Vater bleibt < ist ein biografisches Essay in gehobener Prosa mit schönen poetischen Fragmenten. Ein Buch über Männlichkeit, Vaterschaft, Familie und Identität. Ein gerne gelesen Buch.
Das Cover zeigt das Fahrerhaus eines Lkws. Die Sitze, Seitenverkleidung, Lenkrad, Armaturen in grün, der Himmel sowie die obere Seitenverkleidung in ockerfarben gehalten.
- Was von meinem Vater bleibt
- José Henrique Bortoluci
- Aufbau Verlag
- ISBN:978351042165
- Erschienen 18.06.2024
- übersetzt von Maria Hummitzsch
Schreibe einen Kommentar