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> Stille Zeile Sechs < von Monika Maron

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Die DDR Mitte der achtziger Jahre: Rosalind Pokowski, zweiundvierzigjährige Historikerin, beschließt, ihren Kopf von der Erwerbstätigkeit zu befreien und ihre intellektuellen Fähigkeiten nur noch für die eigenen Interessen zu nutzen. Herbert Beerenbaum, ein ehemals mächtiger Funktionär, bietet ihr eine Gelegenheitsarbeit: Rosalind soll ihm die gelähmte rechte Hand ersetzen und seine Memoiren aufschreiben. Trotz Rosalinds Vorsatz, nur ihre Hand, nicht aber ihren Kopf in den Dienst dieses Mannes zu stellen, kommt es zu einem Kampf um das Stück Geschichte, das beider Leben ausmachte, in dem der eine erst Opfer dann Täter war, und als dessen Opfer sich Rosalind fühlt. Die Auseinandersetzung mit Beerenbaum läßt sie etwas ahnen von den eigenen Abgründen und den eigenen Fähigkeiten zur Täterschaft. Stille Zeile Sechs ist die Adresse Beerenbaums, eine ruhige gepflegte Gegend für Priviligierte, weit entfernt von dem, was in den Straßen der DDR vor sich geht. So der Klappentext.

Monika Maron erzählt ihren Roman in der Ich – Form von Rosalind Pokowski. Geschickt wechselt sie von der Gegenwart zur Herbert Beerenbaums Beerdigung. Dem früheren SED – Funktionär. Mit ihm hatte sie die letzten Monate vor seinem Tod immer wieder Auseinandersetzungen.

Ich saß mit fünf schwarzen Sesseln am Tisch, trank Wein und tat sonst nichts. Fünf Schwarze Sessel wie fünf Männer in schwarzen Anzügen und mit schwarzen Schuhen und ohne köpfe saßen um mich herum, als sollten sie mich begraben. Wie wir gerade Beerenbaum begruben. Wir alle in schwarzen Kleidern und schwarzen Schuhen. Nur Beerenbaum, unsichtbar zwischen den seidenen Kissen unter dem Sargdeckel, trug seinen taubenblauen Anzug.

Seite 82

Monika Maron ist eine sehr feinsinnige Beobachterin und verschafft so diesem bedrückenden Roman einen eleganten und durchaus klugen Schliff. Mit einem letzten Zitat möchte ich meine Leseempfehlung fundieren…………

Das kleine Feuer des Teewärmers spiegelte sich in ihren dicken Brillengläsern und verlieh ihr einen Schein von Tollkühnheit. Wären nicht ihre schweren Hüften gewesen, hätte ich sie mir tatsächlich als Terroristin vorstellen können, eine altmodische russische Anarchistin in einem tailierten Reisekostüm und Schnürstiefeln, eine Tyrannenmörderin, die ihrem Opfer unerbittlich in die Augen sieht, während sie auf seine Stirn ziehlt.

Seite 130

Erschienen im S. Fischer Verlag / ISBN: 3596118042 / 218 Seiten / September 1993

Monika Maron ist 1941 in Berlin geboren, wuchs in der DDR auf, übersiedelte 1988 in die Bundesrepublik und lebt seit 1993 wieder in Berlin. Sie veröffentlichte zahlreiche Romane, darunter ›Flugasche‹, ›Animal triste‹, ›Endmoränen‹, ›Ach Glück‹ und ›Zwischenspiel‹, außerdem mehrere Essaybände, darunter ›Krähengekrächz‹, und die Reportage ›Bitterfelder Bogen‹. Zuletzt erschien der Roman ›Munin oder Chaos im Kopf‹. Sie wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet, darunter dem Kleist-Preis (1992), dem Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg (2003), dem Deutschen Nationalpreis (2009), dem Lessing-Preis des Freistaats Sachsen (2011) und dem Ida-Dehmel-Preis (2017).

Quelle S. Fischer Verlag

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