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Hermelin auf Bänken ~ Patrick Holzapfel

Die Trauer ist individuell und fern der guten Ratschläge. Ein Mensch in der Trauerphase entwickelt seine ganz eigene Strategie um mit dem Verlust weiterzuleben. In „Hermelin auf Bänken” trauert der namenlose Protagonist. Seine Mutter ist verstorben. Seine Mutter saß gerne auf Bänken. Und so, wie durch eine innere Stimme suggeriert begibt er sich durch die Straßen und Grünanlagen von Wien und nimmt Platz auf den Bänken, die er vorfindet. Er bankiert.

Manchmal sitzt er alleine auf einer Bank. Die er zuvor ganz genau inspiziert hat, wie auch die unmittelbare Umgebung.

felsgraue Bank an Häuserwand unter verschlossenem Fenster mit weißen Gardinen. Bin mir nicht sicher, ob Bank privat oder öffentlich ist. Sitzfläche besteht aus sechs gewellten und verbogenen Brettern. Dünne Lehne als Rückenstütze. Armlehnen und Beine aus grünem Gusseisen. Schaue auf Hecke des gegenüberliegenden Gartens und höre auf mögliche Geräusche aus dem Haus, an dessen wand ich sitze: nichts. Schornsteingeruch. Wind und Rauch. Nicke kurz ein. Aufenthalt: eine Stunde. Vollmondlicht. Rostige Blätter fliegen auf, als wollten sie zurück an die Zweige.

Verschiedenste Menschen lernt er beim bankieren kennen. Einer hat es ihm ganz besonders angetan. Ein Obdachloser in einem Hermelinmantel. Dieser hofiert und zeigt sich als König der Obdachlosen. Der „Bankier” ist fasziniert von dieser Erscheinung. Wie von unsichtbarer Hand angetrieben wandert er von Bank zu Bank suchend nach der Person im Hermelinmantel. Und im Sitzen, im bankieren, sinniert er über das Leben und verharrt in der Hoffnung seine Mutter nicht mit der Zeit zu vergessen.

Bevor ich Menschen auf Bänken begegne, begegne ich stets ihren Blicken. Diese Blicke eröffnen oder verhindern die Möglichkeit eines Gesprächs. Sie sind ein Scharnier zwischen den Menschen.

Als dieses Debüt von Patrick Holzapfel des Schweizer Literaturclubs vorgestellt wurde, war ich sofort entflammt. Ich musste einige Zeit auf das Buch warten da es nach der Sendung vergriffen war. Die Seiten sind gefüllt mit poetischen Momentaufnahmen in einer besonderen Zeit im Leben des Protagonisten. Er befindet sich in großer Trauer und bleibt im hier und jetzt. Er beobachtet sehr genau seine Umgebung. Das gibt ihm den substantiellen Halt, den er in dieser Phase benötigt. Der sprachliche Stil von Patrick Holzapfel schwingt wie eine zarte, gut durchdachte, manchmal melancholisch anmutende Melodie durch die Seiten. Und so sehe ich diesen Roman als kleines Kunstwerk. Große Leseempfehlung!

  • Hermelin auf Bänken
  • Patrick Holzapfel
  • Roman
  • Matthes und Seitz
  • ISBN: 9783751870252
  • 166 Seiten
  • Erschienen 2024
  • Rohstoff

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