Ich habe eine Neigung zu Geschichten, die im letzten Jahrhundert spielen. Primär bevorzugt rund um die zwei Weltkriege. Mich interessiert, was die Menschen damals durchmachen mussten, um die Gegenwart besser zu verstehen. Explizit über die Menschen, die ihre Traumatas in die nächsten Generationen weitergaben. So weckte der Roman von Daniel Stögerer über seine unehelich geborene Urgroßmutter meine Aufmerksamkeit.
Die Geschichte spielt in Wien, 1926. Den Menschen geht es nicht gut. Es fehlt an Arbeitsplätzen, somit am nötigen Geld. Es herrscht große Armut. Die politische Lage ist im Wandel. Zu dieser Zeit wächst die achtjährige Luzia bei ihrer Pflegemutter Frau Tóth auf. Das Mädchen wurde unehelich geboren. Die leibliche Mutter, ein Zimmermädchen, vom Hotel – Zum Weißen Rössl am Wolfgangsee. Luzia hat große Sehnsucht nach ihrer Mutter, die sie kaum kennt. Um sie herum, auf den Straßen und Gassen entflammen die politischen Unruhen. Es gibt Proteste, es fallen Schüsse.
Frau Tóth ernährt ihr Pflegekind, doch dem Kind fehlt es an Liebe und Zuneigung. Die Pflegemutter trägt ein gefährliches Geheimnis in sich. Als sich die Lage dramatisch zuspitz, wird Luzia weitergereicht, als Dienstkind zu Bauern in die „ Bucklige Welt”. Das zarte, schüchterne Mädchen geht auf die Suche nach ihrer eigenen Herkunft.
Die Erzählung ist atmosphärisch angelegt. Die Stimmungen in dieser Zeit sind mit einer steigenden Spannung wiedergegeben. Luzia, so unprätenziös, wächst einem beim Lesen ans Herz. Man möchte sie retten. Authentisch lässt Daniel Stögerer gebräuchliche, österreichische Ausdrucksweisen einfließen. Ein liebevolles Andenken wurde hier literarisch fein umgesetzt. Große Leseempfehlung!
- Luzia
- Kindheit zwischen zwei Kriegen
- Daniel Stögerer
- Roman
- Edition Keiper
- ISBN: 9783903575240
- 134 Seiten
- Erschienen 2024
Schreibe einen Kommentar