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Gepäck aus Sand ~ Anna Langfus

Das Nachwort dieses heute erscheinenden Romans der Neu-Übersetzerin Patricia Klobusiczky beginnt mit folgenden Zeilen: 

Während wir die letzten Überlebenden der Schoah verlieren, wird in Deutschland laut darüber nachgedacht, wie wir die Erinnerung wachhalten können.“ „Vielleicht hilft es, wenn wir uns vor Augen führen, dass von Anfang an um diese Erinnerung gerungen werden musste, individuell wie gesellschaftlich, juristisch wie politisch und erst recht künstlerisch, und dass Überlieferung, die historische und die literarische, von jeder Generation neu zu erschließen ist.“

Dieser Roman erschien 1962 und die Autorin Anna Langfus erhielt dafür den Prix Goncourt. Es war ihr zweites Werk nach dem Debüt – Salz und Schwefel. 

In „Gepäck aus Sand“ tritt die Handlung nach dem 2. Weltkrieg ein. Das Vergessen gerät in den Prozess. Die junge Maria, die Erzählerin, ist ganz allein. Ihre Eltern und ihr Geliebter wurden von den Nazis ermordet. Sie ist nun von Menschen umgeben, die versuchen, ihre Erinnerungen zu unterbinden. So ist es ihr nicht möglich, sich über diese Erfahrungen der Entmenschlichung auszutauschen. 

„Gleich kommen die anderen, die hier gestorben sind, in diesen Mauern.“ Das weiß sie, sie ist da, um sie zu treffen. „Was machen Sie hier?“, werden die anderen mich fragen, die lidlosen Augen auf mich gerichtet. „Auch ich warte“ , werde ich antworten. „Auch ich bin mit dem Meinigen verabredet.“

Marie wird von der Familie ihres rechtzeitig geflohenen Onkels gefunden, jedoch bleiben ihre Verwandten ohne jegliche Empathie, sondern beweinen Dinge, die sie durch den Krieg verloren haben. Und das ist das jetzt bezeichnete für die Situation, in der sich die Überlebenden befanden. Sich mitzuteilen, von ihren persönlichen Erfahrungen zu erzählen – diese Selbstverständlichkeit wurde ihnen schlichtweg verwehrt. Und während Maria durch Paris streift, lernt sie den viel älteren, traumatisierten Michele Caron kennen, der sie zur Erholung an die Côte d’ Azur einlädt. Die beiden versuchen, sich etwas Halt zu geben und eine erträgliche Zeit miteinander zu verbringen. Und so manches Mal sind dezente Ansätze zu verspüren, die immer wieder von den schrecklichen Erinnerungen zunichtegemacht werden. 

Als Gepäck aus Sand 1962 auf Deutsch erschien, war man nicht gewillt, diesem Buch hierzulande die entsprechende Aufmerksamkeit zuteilwerden zu lassen. Nun in der neuen Übersetzung lesen wir ein poetisches, gehaltvolles Zeitdokument über die Schrecken der Shoah und die tiefen seelischen Narben der Überlebenden.  

Mit dem Vergangenen lässt sich nun mal nicht abschließen. Allein deswegen lohnt es sich heute, da die Erinnerungskultur hierzulande gefährdeter denn je scheint und bestimmte Kreise wieder nach dem berüchtigten „Schlussstrich“ rufen, diese Autorin wiederzuentdecken.

Große Leseempfehlung! 

  • Gepäck aus Sand
  • Anna Langfus
  • Roman
  • Die Andere Bibliothek / Aufbau Verlage Berlin
  • ISBN: 9783847704812
  • 288 Seiten
  • Übersetzt aus dem Französischen von Patricia Klobusiczky
  • Erschienen am 13. 01. 2025

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