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Frau Elster und der eingestickte Wal ~ Martin Hiller

Dass dieses Buch zu lesen in keinster Weise einfach vonstatten gehen würde, war mir von Anfang an bewusst. Doch tat ich es mit immer wieder eingelegten Pausen für Karl. Karl und sein Zwillingsbruder Paul erblicken im Herbst 2020 das Licht der Welt. Corona hat das Land fest im Griff. Im Frühjahr 2022 erkrankt der kleine Karl an Covid-19 und danach am seltenen Kawasaki-Syndrom. Karl verbringt viel Zeit im Krankenhaus und als er dann nach Monaten wieder nach Hause kommt, verstirbt das Kind trotz Reanimationsversuch seiner Mutter Carina, völlig überraschend an einem Herzinfarkt. 

Martin Hiller, der Vater, erzählt in seinen Tagebucheinträgen 100 Tage lang über seine Trauer über die Zeit im Krankenhaus mit Karl. Über die Zeit mit den Zwillingen Karl und Paul, über den plötzlichen Tod seines Kindes, über die immens vielen Tränen von ihm und seiner Frau Carina. Von der Zeit bis zur Beerdigung und die danach. Von dem Umgang und den Begegnungen mit den Verwandten und Freunden und von den Erklärungen auf Nachfrage von unwissenden Bekannten, wo denn der andere Zwilling sei. Von den Vorbereitungen für Karls Beerdigung und den vielen Treffen und Gesprächen mit Freunden und Verwandten. Von Martins Ritualen: Duschen mit dem Krankenhaus-Karl-Babyshampoo, täglicher Karl-Besuch auf dem Friedhof, abendliche Radrunden zum Klinikum. Und Martin entdeckt mal mehr, mal weniger angeheitert und beschwipst, wie wertvoll ihm dieses Schreiben über seine Karl-Gefühle und Karl-Momente ist. Und immer wieder schwingt die Anst mit, Karl zu vergessen.

Doch unter all dieser Trauer macht sich auch das pure Leben breit. Rechnungen, Existenzsorgen und Mahnbescheide. Martin Hiller vermittelt offen und ungeschönt die Echtzeit seiner Trauer, manchmal ausschweifend und rollierend, doch mit den unterschiedlichsten Facetten der Trauer. Er lässt Musik, Kunst und seine künstlerischen Arbeiten mit einfließen. So nahm ich diesen Tagebuchroman als rigoros schonungslos und dennoch absolut liebevoll wahr. Eine Liebeserklärung an das eigene Kind. Für Karl.

Karl wurde aus seinem Leben gerissen, aber auch aus unserem Leben, und wir aus seinem Leben, irgendwie voneinander abgekoppelt, örtlich und zeitlich getrennt, nicht mehr beisammen.

Das Cover zeigt eine Illustration eines Storches auf hellblauem Untergrund, Autorenname und Titel nebst Verlag in weißer Schrift.

  • Frau Elster und der eingestickte Wal
  • Martin Hiller
  • Tagebuchroman
  • Kran&Weuke
  • ISBN: 9783000772283
  • 731 Seiten
  • erschienen 2023

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