Was ist das Geheimnis des guten Stils, wie wird aus Sprache Literatur? Dieser Frage geht Michael Maar in seinem Haupt- und Lebenswerk nach, für das er vierzig Jahre lang gelesen hat. Was ist Manier, was ist Jargon, und in welche Fehlerfallen tappen fast alle? Wie müssen die Elementarteilchen zusammenspielen für den perfekten Prosasatz? Michael Maar zeigt, wer Dialoge kann und wer nicht, warum Hölderlin über- und Rahel Varnhagen unterschätzt wird, warum ohne die österreichischen Juden ein Kontinent des Stils wegbräche, warum Kafka ein Alien ist und warum nur Heimito von Doderer an Thomas Mann heranreicht. In fünfzig Porträts, von Goethe bis Gernhardt, von Kleist bis Kronauer, entfaltet er en passant eine Geschichte der deutschen Literatur.( Ich erlaube mir hier den Klappentext zu übernehmen, besser geht es nicht.)
Michael Maar verdeutlicht zum Beispiel die Musik der Sprache die einer Parabell gleicht. Alexander von Humboldt fährt im Boot mit seiner Mannschaft auf dem Rio Negro. Die Zeit wird lang und Humboldt wird gebeten eine Geschichte zu erzählen. Eine Geschichte könne er nicht zum besten geben, jedoch würde er das schönste deutsche Gedicht frei ins Spanische übersetzen. > Oberhalb aller Bergspitzen sei es still, in den Bäumen kein Wind zu fühlen, auch die Vögel seinen ruhig, und bald werde man tot sein. < Seine Begleiter sind konstaniert, das könne doch nicht alles gewesen sein. Doch Humboldt hat sich korrekt erinnert, nur das Wichtigste, die Form hat er außeracht gelassen.
Hier die Auflösung:
Über allen Gipfeln
Ist Ruh,
In allen Wipfeln
Spürest Du
Kaum einen Hauch;
Die Vögelein schweigen im Walde.
Warte nur! balde
Ruhest du auch.
Goethe – Seite 15
Dieses Buch ist wie ein Säckchen gefüllt mit Diamanten. Diese Diamanten tragen Namen wie von Goethe, Keller, Werfel, Döblin, Wolfgang Herrndorf, Stifter, Storm, Anna Seghers, Hildegard Knef und viele mehr. Maar hat ein Labsal für LiteraturliebhaberInnen geschaffen. Doch er prüft sie auch in einem Literaturquiz Teil 1&2 mit der Auflösung im Anhang. Er legt ganz plausibel offen, wer wie warum gutschreibt und vergleicht verschiedene Stilrichtungen. Das lässt das Leserherz* höherschlagen. Wärmste Leseempfehlung meinerseits!
Das Cover zeigt die Abbildung >The Cup of Tea < von André Darain aus dem Jahre 1935. Es zeigt eine dunkelhaarige Frau in einem Sessel sitzend mit einem Buch auf dem Tisch. Ihr Blick ist träumerisch. Ebenfalls auf dem Tisch eine Teekanne mit Tasse.
- Die Schlange im Wolfspelz
- Michael Maar
- Das Geheimnis großer Literatur
- Rowohlt Verlag
- ISBN: 9783498001407
- 655 Seiten
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