Ich klopfe drei Mal an die Zimmertüre von Anna B., sie wird mir nicht antworten, denn Anna B. redet kaum noch. Mal ein > Heija < oder ein > Jaja < mehr spricht sie nicht mehr. Anna B. ist 88 Jahre und lebt seit 8 Jahren in einem Altenpflegeheim. Die Demenz hat sie so sehr in Besitz genommen, dass ich sie an manchen Tagen nicht erreichen kann. Sie reagiert auf kein Wort, selbst die Geheimwaffe Musik besitzt dann keinerlei Wirkung. Ich trete in das Zimmer, ein Geruch von Urin fliegt mir entgegen. Leichte Übelkeit keimt bei mir hoch. Ich begrüße laut Anna B. und erkläre ihr, dass ich das Fenster kurz kippe. Sie antwortet mit > Jaja <. Das ist ein gutes Zeichen. Ich stelle mich wieder einmal mit Namen vor und nenne ihr den Wochentag und das Datum. Anna B. grinst und lacht, ihre Augen strahlen. Da muss man einfach mitlachen. Ihr Blick richtet sich geradeaus. Ein Familienbild, hängt in DinA 3 Größe, gerahmt an der Wand. Ich schaue mit und erwähne lobend und positiv die große Familie die sie hat. Auf dem Bild sind 14 Familienmitglieder zu sehen, Erwachsene und Kinder. Die Aufnahme dürfte schon ein paar Jahre alt sein. Zwei der Personen vom Bild habe ich selbst zwei – dreimal gesehen, die anderen sind mir gänzlich unbekannt.Ich stimme > Die Gedanken sind frei < an, Anna B. fängt zu lachen an und dreht den Kopf zu mir. Sie summt eine Melodie, ihre Melodie. Die Freude hat sie in Besitz genommen und wir beide machen einfach so weiter. Heute ist ein guter Tag, wir machen gemeinsam Musik.
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