Ruth erzählt von ihrem Leben, sie ist 93, sie mag nicht mehr. Hadert mit  dem Rollstuhl, sie kann nicht mehr gut gehen, jeder Schritt schmerzt  sie ungemein. Mit 30 Jahren stürzte sie vom Kirschbaum, ein Ast brach  vom Baum und sie sich die Ferse. Im Laufe ihres Lebens kamen  Herzbeschwerden dazu, dies führte, dass sie mit 83 eine neue Herzklappe  bekam. > Ich hoffte inständig, das ich nach der Operation nicht mehr  aufwache.“
 Auf meinen Einwand, wie wertvoll das Leben und das es doch  enorm sei, ein so stattliches Alter zu erreichen, winkt sie ab. Nein,  so schön war ihr Leben nicht. Der Krieg und die Entbehrungen. Die  Nachbarn in ihrem kleinen Dorf, die mißgünstig und nationaltreu waren.  Ihre Ehe die Kinder – und Lieblos blieb. Die immens viele und mühselige  Arbeit auf dem elterlichen Hof, den sie dann später übernahm. Ruth  kämpft mit den Tränen, sie mag nicht mehr. Das Leben hat ihr nicht gut  mitgespielt. Ich versuche sie auf schöne Ereignisse und Momente zu  lenken. Sie scheint sie verdrängt zu haben. Nun sitze sie in einem  Altersheim, am liebsten in ihrem Zimmer, denn in den gemeinschaflichen  Räumen hält sie es nicht aus. Zuviel Demente. Ihr verstorbener Mann war  dement, Ruth hat ihn lange betreut und gepflegt. Sie kann diese Menschen  hier und diese Erinnerung nicht ertragen. Ihr Haus mit Anwesen soll nun  verkauft werden. Ihre Nichten und Neffen wollen es nicht. Zu weit weg  vom Schuß. Ruth hat trotz ihrer harten Worte einen freundlichen Blick.  Ihre Augen wirken verschmitzt. Sie liest jeden Tag die komplette  Tageszeitung und ist politisch bestens informiert. Sie kann sich nicht  mehr selbst versorgen, darum ist sie hier. Ihre Hoffnung auf eine  Kurzzeitpflege wurde ihr genommen. Auf meine Frage ob ich sie ab und an  besuchen dürfe, verändern sich ihre Augen, freundlich und geradezu  leuchtend. Oh ja, antwortet Ruth, da würde sie sich sehr freuen. Sie mag  gute Unterhaltung, auch wenn sie heute fast nur geredet hat, bemerkt  sie fast entschuldigend. Zum Abschied drücken wir uns die Hand und  lächeln uns an. Auf bald Ruth ! 
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