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Woran ich lieber nicht denke ~ Jente Posthuma

Dieser Roman stand 2024 auf der Shortlist vom „International Booker Prize“. Die Handlung ist besonders. Es geht um ein zweieiiges Zwillingspaar, ein Junge und ein Mädchen. Der Junge nennt seine Schwester Zwei, denn er ist der Erstgeborene. Und Nummer zwei ist auch die, die diese Geschichte erzählt. Die ersten Lebensjahre der beiden sind sehr innig miteinander. Auf den Kinderfotos sind sie immer in Hautkontakt, Hand in Hand, eingehakt. Zusammen. Sie kommen ins Teenageralter und verlieben sich das erste Mal. Da stellt sich heraus, dass der Bruder schwul ist. Sie ist etwas ungelenk in ihren näheren Freundschaften, denn an erster Stelle steht ihr Bruder.

„Ich wünschte mir einen Ehemann, der nicht mit mir wetteiferte und der meine Gegenwart als Bereicherung empfand. Mein Bruder lachte schallend über das Wort Bereicherung. Er hoffte auf einen Mann mit sanften Händen und einen konfliktvermeidenden Charakter.”

Sie, sammelt leidenschaftlich Pullover, die kann man einfach streicheln und bei jedem dieser Pullover denkt sie an ihren Bruder. Er, ist der der den Ton angibt. Sie, versucht immer mit ihm mitzuhalten um ihn nicht zu verlieren. Doch Nr. Eins bricht sein Studium ab, aus Partnerschaften löst er sich, verfällt zusehends in eine Depression und der Kontakt zwischen den Zwillingen gestaltet sich schwieriger.

„Er sagte: Ich will nicht sterben, aber ich will auch nicht leben.”

Der Bruder ertränkt sich mit gerade mal 36 Jahren wie Virginia Woolf.

„Das Leben meines Bruders war eine Aneinaderreihung von schlechten Survivor-Entscheidungen, aber sein dümmster Fehler war, das Bündnis mit der einzigen Mitspielerin zu lösen, der er vertrauen konnte, die ihm ihre letzten Reiskörner gegeben, die ihn im Notfall bis zum Ende auf dem Rücken getragen hätte.”

Jente Posthuma hat in ihrem Roman über die Trauer viele Fäden feinfühlig miteinander verwoben. Zum einen, was heißt es ein Zwilling zu sein. Während die genetische Verwandtschaft und gemeinsame Erfahrungen eine starke Bindung schafft, ist es für jeden Zwilling wichtig, seine eigene Identität und Unabhängigkeit zu entwickeln. Das gelingt diesem Zwillingspaar nicht. Sie scheitern beide auf ihre ganz eigene Weise. Desweiteren befasst sich Nr. 2 mit den Twin Towers des World Trade Centers, mit den Versuchen an Zwillingen von Josef Mengele und den Selbstmorden berühmter Autorinnen. Doch vor allem ist es ein Roman über den Verlust, die Trauer und die Identität. Posthuma’s Schreibstil ist ein faszinierendes Zusammenspiel von Poesie, Ironie und scharfen Kanten. Durch die Kombination dieser Elemente gelingt es ihr, das komplexe Thema auf eine zugängliche und gleichzeitig tiefgründige Weise zu behandeln. Ihr Werk ist sowohl berührend als auch herausfordernd. Große Leseempfehlung!

Das Cover strahlt eine geheimnisvolle und nachdenkliche Atmosphäre aus. Beherrscht wird es von einem beruhigenden Farbschema, das in sanfte Rose-Grün-Brauntöne getaucht ist. Zentral auf dem Cover ist eine Silhouette einer weiblichen Person zu sehen, die in einer nachdenklichen Pose dargestellt ist.

  • Woran ich lieber nicht denke
  • Jente Posthuma
  • Roman 
  • Luchterhand
  • ISBN: 9783630877990
  • 251 Seiten
  • Übersetzt von Andreas Eck
  • Auf Deutsch erschienen 2025

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