
Als ich dieses Buch zu Hause in den Händen hielt und mir die Rückseite durchlas, war ich mir kurz unsicher, ob ich mich nicht mit dieser Wahl vertan hatte.
„Lina reist mit leichtem Gepäck. Denn sie hat nicht vor zu bleiben. was in ihrem Heimatort auf sie wartet, wiegt schwer. Und dabei weiß sie noch längst nicht alles. Doch weil es da summt und leuchtet und duftet im Wald, geht sie nicht in die Knie, sondern weiter.”
Doch nach der ersten Seite des Romans wollte ich mich dem Sog der Geschichte nicht mehr entziehen.
Die 30-jährige Lina kehrt aus der Großstadt nach Wildhof zurück, um den Haushalt ihrer verunglückten Eltern aufzulösen und das Haus zu verkaufen. Mit 18 war sie, nachdem sie sich mit ihren Eltern überworfen hatte, in die Anonymität der Großstadt untergetaucht. Als erfolgreiche App-Entwicklerin drückt man manchmal bei ihren Wutausbrüchen oder spontanen Entscheidungen ein Auge zu. Doch als sie von den verstörenden Videos eines Praktikanten erfährt, bringt ihr ihre Maßnahme eine Vorstrafe ein.
Nun, im Elternhaus keimen die Erinnerungen auf, die Lina immer wieder psychisch belasten. Damals, als der geliebte Hund verunglückte. Als die 13-jährige Zwillingsschwester Luise plötzlich verschwand und nie wieder auftauchte. Zwei Jahre ging sie auf die Suche nach ihr und die Mutter begann in ihrer Trauer mit der Trinkerei.
Lina ist beschäftigt mit Aufräumen und Entsorgen, mit dem Finden von Erinnerungsstücken, die so manches in ihr auslösen. Drei ihrer engsten Freunde aus der Kindheit trifft sie wieder. Mit einem Kaufinteressenten, einem Musiker, beginnt sie eine Liebelei und surreale Dinge geschehen ihr immer wieder. Wie durch Zauberhand tickt die Kuckucksuhr wieder und ein verwilderter Ball im Garten liegt dort wie frisch aufgepumpt.
Und unter all den Begebenheiten, die Lina umgeben, taucht sie immer wieder in der Natur ab. Dort, wo sie mit Luise war und auch der Rehkönigin aus ihrer vormals glücklichen Kindheit begegnet sie wieder.
„Wildhof” hat mich durch atmosphärische Naturbeschreibungen, und das mag ich sehr gern, geleitet. Eva Strassers sprachlicher Stil ist gefüllt mit Poesie und Sinnlichkeit, die gänzlich ohne jeglichen Schnörkel auskommt, um zu glänzen. Ein gelungener Roman, der in der Gegenwart verweilt mit Blick auf die Vergangenheit, um eine Zukunft zu ermöglichen. Große Leseempfehlung!
Das Cover zeigt die erdige Farbpalette, die von Grün- und Brauntönen und einem Hauch von zart gelben Schmetterlingen dominiert wird, schafft eine harmonische und einladende, aber auch geheimnisvolle Atmosphäre.
- Wildhof
- Eva Strasser
- Roman
- Wagenbach Verlag
- ISBN: 978-3-8031-3373-1
- 208 Seiten
- Erschienen am 20. Februar 2025
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