
Seit ihren gemeinsamen Studientagen sind sie unzertrennlich: Helena und Marlene, das „doppelte Lenchen“. Zwei Frauen, so unterschiedlich wie Herz und Verstand, und doch verbunden durch eine Freundschaft, die ein Leben lang trägt.
Helena wird Ärztin, spezialisiert auf Palliativmedizin, vertraut mit dem Schmerz und der Zerbrechlichkeit des Lebens. Sie heiratete den Therapheuten Urs und wird Mutter. Marlene hingegen erobert als kluge, lebenshungrige Wissenschaftsjournalistin die Welt der Worte. Sie heiratet den gutsituierten Julian in zweiter Ehe, die kinderlos bleibt. Die Wege der beiden Frauen verlaufen in unterschiedliche Bahnen doch das Band der Freundschaft reißt nie ab.
Als Marlene an einer besonders aggressiven Form von Krebs erkrankt, scheint der Kampf schon verloren, kaum dass er begonnen hat. Die Diagnose ist unerbittlich, die Hoffnung flüchtig. Marlene trifft eine Entscheidung: Sie will leben, so lange es sich zu leben lohnt. Und wenn das Leiden überhandnimmt, will sie selbst bestimmen, wann ihr Leben endet. Dieser Entschluss stellt ihre Freundschaft auf eine harte Probe. Denn Helena ist nicht nur Marlenes engste Vertraute, sie ist auch ihre Ärztin. Zwischen medizinischer Verantwortung, moralischer Zerrissenheit und tiefer Liebe beginnt ein Ringen um Würde, Freiheit und Schuld.
Assistierte Sterbehilfe ist nach wie vor mit Stigmatisierung verbunden. Aus genau diesem Grund sind Werke wie „Nicht tot zu sein, ist noch kein Leben“ von Lou Bihl von immenser Bedeutung, um bestimmte Einblicke zu gewähren. Hier wird das Sterbefasten praktiziert, was für mich die menschlichste Art der assistierten Sterbehilfe ist. Eine äußerst spannende Diskussion über die Pro- und Contra-Argumente zur Sterbehilfe im Buch hat mein Interesse geweckt, und ich fand es gelungen, dass Helena als Ich-Erzählerin auftrat und Marlene ihre Gefühle und Ängste in einem E-Mail-Austausch mit Helena zum Ausdruck bringen konnte. Die Episoden über Marlenes Ehemann Julian hingegen wirkten für mich nicht stimmig und passten nicht in die Geschichte.
Lou Bihl erzählt in ihrem Roman mit großem Einfühlungsvermögen und einem sicheren Gespür für gesellschaftliche Brisanz von zwei Frauen, die sich im Angesicht des Todes nicht verlieren, sondern neu finden. Eine Erzählung über Freundschaft, Courage und das letzte große Tabu: selbstbestimmtes Sterben.
Auf dem Cover ist eine weiße Blume abgebildet. Darauf ist eine Frau in Rot zu sehen, die einen Schatten wirft. Der Hintergrund ist blau, während sämtliche Texte in Gelb verfasst sind.
- Nicht tot zu sein, ist noch kein Leben
- Lou Bihl
- Roman
- Unken Verlag
- ISBN: 9783949286131
- 262 Seiten
- Erschienen 2025
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