Die Salzburger Autorin Helena Adler verstarb im Januar 2024, mit gerade mal vierzig Jahren. Helena Adler galt als ein aufgehender Stern des österreichischen Literaturbetriebes. Tendenziell wurde sie in die Reihe mit Elfriede Jelinek und Thomas Bernhard gesehen. 2023 war der Weg zur Teilnahme am Bachmann – Wettbewerb in Klagenfurt für sie schon geebnet, doch kurz vor Beginn musste sie krankheitsbedingt absagen.
Dieses Jahr lobte Klaus Kastberger, Mitglied der Jury des Bachmannpreises, Germanist und Literaturkritiker, die drei noch nicht veröffentlichten Texte in Miserere, so leidenschaftlich und inständig, dass ich dieses Buch unbedingt lesen wollte.
Die Texte haben es gewaltig in sich. Ob über den Maurer Josef, der dem korrupten Bürgermeister seines Ortes eine Lektion erteilt. Oder die Stimme aus dem Totenreich bis hin zu >Miserere Melancholia<. Miserere bedeutet erbarme dich und Melancholia ist die Schwermütigkeit. Dieser Text war für den Bachmannwettbewerb 2023 auserkoren und er ist zum Bersten gefüllt, eine emotionale Höllenfahrt. In einem inneren Dialog mit einem Gnom, der die totbringende Krankheit darstellt, versucht Helena Adler den Gnom loszuwerden, jedoch nimmt dessen Kraft über sie ständig zu.
Nicht gelungen. Durchgefallen. Wir sind alle Gescheiterte. Ein alter, verrotteter Scheiterhaufen. Wenn wir sterben, scheitern wir am Leben. Wären wir unsterblich, scheitern wir am Tod.
Eine Huldigung an das Leben und eine Verneigung vor dem nahen Tode.
Dieses schmale Büchlein von gerade Mal einundsiebzig Seiten besitzt die Wirkung wie ein Schlag in die Magengrube, wie ein Stich ins Herz, wie eine Quetschung der Seele. Die emotionale Wortgewaltigkeit von Helena Adler, strotzt vor grandiosem Sprachvermögen und feurigem Wortwitz, der seinesgleichen sucht!
Ich habe mich gefragt: Warum bin ich oft so depressiv, was stimmt mich melancholisch? Und in meinem Fall glaube ich, die Antwort zu kennen. Ich bin schwermütig, weil ich das Leben hier in seiner Pracht so liebe. Mit all den Menschen, die ich liebe.
Das Cover zeigt das dritte Wandelbild vom Isenheimer Altar. Mit dem dritten Wandelbild wird auch die innere Predella mit den Schnitzfiguren von Christus und den Aposteln geöffnet. Es ist vor allem der Verehrung des Antonius ( Ein Patron gegen teuflische Mächte) gewidmet. Es zeigt einen Kampf der Unterwelt in feurigen Farben.
- Miserere
- Helena Adler
- Texte
- Jung und Jung Verlag
- ISBN: 9783990274071
- 71 Seiten
- Erschienen im Juli 2024
- Mit einer Nachbemerkung von Thomas Stadler
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