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Kaltes Krematorium ~ József Debreczeni

Bericht aus dem Land Namens Auschwitz.

Ich lese seit meinem 12.Lebensjahr Bücher über die Shoa und ich war überzeugt schon so einiges darüber erfahren zu haben. Doch – Kaltes Krematorium – ist ein Augenzeugenbericht, der dem allem, für mich, die Krone aufsetzt. József Debreczeni veröffentlichte fünf Jahre nachdem er aus dem Lager befreit wurde, seine Erlebnisse und Beobachtungen auf ungarisch in Serbien. Und da blieb es gute 70 Jahre ohne große Beachtung. Doch nun wurde es in viele Sprachen übersetzt und endlich auch ins Deutsche. 

„Ich glaube, irgendwo in Osteuropa, entlang eines Bahndamms, an einem Waldrand voller blühender Bäume vollzog sich eine erstaunliche Metamorphose. Hier wurden die Menschen der plombierten Höllenzüge zu Tieren. So wie alle anderen, die hunderttausenden. Die der Wahnsinn aus fünfzehn Ländern in die Todesfabriken und Gaskammern spie. Das war der Moment, indem uns zum ersten Mal unsere aufrechte Haltung genommen wurde.”

„Wir sind in Auschwitz angekommen, wo die Amokläufer des Rassenwahns mehrere hunderttausend Deportierte aus den verschiedensten Gegenden Europas in Holzbaracken zusammengepfercht haben.” 

József Debreczeni beobachtet genau und ist wachsam. Als sich die Neuankömmlinge im Lager entscheiden müssen, ob sie sich in die linke oder die rechte Reihe einreihen, nimmt er den Rat eines ihm völlig unbekannten Mannes an und wird vor der Augenblicklichen Vergasung verschont. Doch er springt nicht nur einmal dem Tod von der Schippe. József Debreczeni, Schriftsteller und Journalist beschreibt ungeschönt und schonungslos über die unbarmherzigen Einsätze in der Zwangsarbeit für ein neues Führerhauptquartier. Von den Kämpfen der Lagerinsassen um Nahrungsmittel. Von der Exekutivmacht in den Lagern. Und, und da muss ich nochmals tief ein und ausatmen, von der Lagerhierarchie. 

„Zuerst verteilten der Lagerälteste und seine Gehilfen die Lebensmittel an die Blocks. Innerhalb jedes Blocks waren die Blockältesten für das Abmessen der Portionen, die ein Zimmer bekam, zuständig, und wir erhielten unsere Rationen vom Stubenältesten. Auf ihrem Weg durch die vielen langen Finger nahmen diese stark ab. Die ursprünglich zwanzig Gramm Fett pro Kopf, die zum Erhalt des Lebens bestimmt waren, schrumpften zu mikroskopischer Größe.” 

Für mich gehört – Kaltes Krematorium – zu einem der bedeutendsten Bücher der Holocaust-Literatur. József Debreczeni erzählt eine Chronologie des Verlustes von Menschlichkeit und Humanität. Und dies vermag ich nicht annähernd in Worte zu fassen. Ein Abschlusszitat mögen diese Zeilen nochmals verdeutlichen. 

„Wir reißen uns die Mützen vor diesen beiden gewaschenen, saubere Kleidung tragenden Sklaven von den Köpfen. In Fürstenstein wird nicht nur vor den deutschen, sondern auch vor den jüdischen Sklaventreibern stillgestanden.” 

  • Kaltes Krematorium
  • József Debreczeni
  • Bericht aus dem Land Namens Auschwitz
  • S.Fischer Verlag
  • ISBN: 9783103975444
  • Mit einem Nachwort von Carolin Emcke
  • 272 Seiten
  • Erschienen im November 2024

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