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Kairos ~ Jenny Erpenbeck

Hier ist er nun. Der Roman, der den Booker Prize 2024 gewonnen hat. Der Titel erweckte meine Neugier. Kairos – kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet so viel wie: Gute Gelegenheit, günstiger Zeitpunkt für eine Entscheidung.

In den letzten Jahren der DDR lernt die 19-jährige Katharina den 53-jährigen Schriftsteller Hans kennen und lieben. Es ist eine zu Beginn zarte Annäherung, denn Hans ist verheiratet und Vater eines Sohnes. Dieser so erfahrene Hans, 1933 geboren, vom bekennen Nazi zum Kommunisten, eröffnet der jungen Katharina eine völlig neue Welt. Er führt sie in diverse Lokale aus und bringt ihr die Liebe zur Musik näher. Und Katharina, ihr Trumpf ist ihre Jugend und ihre Schönheit. Durch Hans fühlt sie sich nun in der Erwachsenenwelt angekommen.

Doch diese Liebe verwandelt sich in eine toxische Verbindung. Denn Katharina verbringt eine Nacht mit einem anderen Mann und dies verändert die gesamte Situation zwischen ihr und Hans. Dieser konfrontiert Katharina immer wieder mit ihrer >Schuld<. Er setzt sie unter Druck mit seinen Psychospielchen und erwartet, dass Katharina ihre >Schuld< abarbeitet. Er selbst will jedoch seine Frau nicht verlassen.

Jenny Erpenbeck hat ihren Roman in 2 Teile mit je 29 Kapiteln unterteilt. Der erste Karton, gefüllt mit einer stimmungsvollen Liebesgeschichte und ihren Erinnerungen. Und Karton 2, mit der totalen Veränderung des Liebespaares. Katharinas teils unterwürfig, in der Angst verlassen zu werden und Hans, der sie psychisch, physisch, machtbesessen unter Druck setzt. Versucht zu zersetzen.

Etwas beginnt, etwas geht zu Ende – oder erfüllt sich. Aber dazwischen windet die Zeit sich ins Leben hinein, verpflicht sich, verwächst sich, ist nur eines nie: gleichgültig, sondern immer gespannt, eingespannt zwischen einem Anfang, den man nicht wahrnimmt, weil man mit dem Leben beschäftigt ist, und einem Endpunkt, der in der Zukunft, also im Dunkel, liegt.

Seite 306

Der Roman spiegelt die Zeitspanne von 1949-1992, wobei die Jahre 1986-1992 deutlich im Vordergrund sind. Der sprachliche Stil versprüht eine gehobene, elegante Prosa. >Kairos <hat mich von der ersten bis zur letzten Seite fasziniert. Wobei ich zugeben mag, dass ich oftmals wütend wurde auf den manipulativen Hans. Ich sehe diese zu Beginn Liebesgeschichte, sich dann ins Toxische wandelte bis hin zum unwiederbringlichen Ende als Metapher für das Entstehen und den Untergang der DDR. Absolut intelligent gemacht. Für mich gab es einige Aha-Momente, da ich mich mit der Thematik DDR nur leicht vertraut bin. Ein gerne gelesen Buch! Doch ein Zitat sei hier noch aus dem Epilog erwähnt:

Und warum werden nur Seelen der Osthälfte Deutschlands in ihre verborgenen Tiefen offengelegt? Warum wurde es nach der Nazizeit in ganz Deutschland nicht genauso gemacht?

Seite 376

Nachtrag: Bei einer weiteren Überlegung zum Buch: die 2 Kartons könnten auch für Ost – und Westdeutschland stehen, das geteilte Deutschland. Und zu den Kapiteln ist meine These: die 29 Kapitel bedeuten so ungefähr die Zeit der Berliner Mauer. 1961-1989 bzw. der Abriss 1991. Allein schon welche Überlegungen dieses Buch zulässt…Klasse!

Das Cover zeigt eine veralteten Karton. Der Titel ist rot und der Name der Autorin in schwarzem Druck.

  • Kairos
  • Jenny Erpenbeck
  • Roman
  • Penguin Random House Verlagsgruppe
  • ISBN: 9783328600855
  • 378 Seiten
  • Erschienen 2021
  • Bookerprize 2024

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