
Im Rahmen Autorinnen der Gruppe 47 in diesem Jahr zu lesen, wählte ich „Die Riesenzwerge” von Gisela Elsner. Gisela Elsner galt als einer der bissigsten Kritikerinnen des deutschen Bürgertums und dem Faschismus mit weiterem Blick auf den Einfluss des Kapitalismus. Ihr erster Roman „Die Riesenzwerge“ wurde 1964, dem Jahr seines Erscheinens, mit dem renommierten Prix Formentor ausgezeichnet.
Dieser Roman ist gefüllt mit grotesken, verzerrenden Szenen aus dem Leben des jungen Lothar Leinlein. Im ersten Kapitel mit dem Titel „Die Mahlzeit“ wird das tägliche Mittagessen als Ritual im Hause Leinlein beschrieben. Mit „Mein Vater ist ein guter Esser. „Er läßt sich nicht nötigen“ leitet die Schilderung von Lothars Stiefvater ein, Oberlehrer Leinlein, der täglich halbrohe Fleischmengen verzehrt, während seine Frau und sein Sohn nur Zuschauer dieses Geschehens sind. Der Roman legt die Familiengeschichte der Leinleins im Fortgang offen: Lothars biologischer Vater war während eines Familienausflugs in einem Hotel, in dem kein Essen mehr verfügbar war, von hungrigen Gästen gefressen worden. Herr Leinlein, der Anführer der kannibalischen Gemeinschaft, warb über einen längeren Zeitraum als eine Art Wiedergutmachung um Lothars Mutter, bis sie schließlich in die Ehe einwilligte. Die Familie besucht einmal jährlich am Todestag des Vaters sein Grab. An diesem einzigen Tag im Jahr muss der Oberlehrer hungernd mitansehen, wie Frau und Sohn sich endlich satt essen können. In grotesk-makabren Bilderfolgen werden die weiteren Kapitel weitere Personen aus Lothars Umfeld beleuchtet.
Ich hatte bei diesem Roman Schwierigkeiten, Zugang zu finden. Die überbordenden und teils verstörenden Szenen waren so detailreich in einer unglaublich bildhaften Sprache dargestellt, dass ich sie nur kapitelweise lesen konnte. Einerseits ist Gisela Elsners Stil äußerst provokant, andererseits zeichnet er sich durch eine Beschreibungsartistik aus, die mir bislang unbekannt war. Dank des Nachworts von Hermann Kinder konnte ich dieses Werk im Nachhinein etwas besser nachvollziehen.
- Die Riesenzwerge
- Gisela Elsner
- Roman
- Rotbuch Verlag
- ISBN: 3-88022-479x
- Nachwort von Hermann Kinder
- Erschienen 1995
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