
Es gibt Themen, die betreffen mich zwar nicht, doch sie erwecken mein Interesse. So wie hier bei diesem Roman. Ich höre immer wieder von einigen Menschen, dass sie miserabel schlafen und dies über längere Zeit. Dieser Schlafmangel ist nicht zu unterschätzen. Langfristig können neben kurzfristigen Beeinträchtigungen wie Konzentrationsschwierigkeiten und Stimmungsschwankungen auch ernsthafte gesundheitliche Probleme auftreten, darunter Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Übergewicht sowie psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angstzustände.
„Der Schlaf der Anderen“ erzählt von einer Begegnung in einem Schlaflabor. Sina ist eine Ehefrau, Mutter und Kunstlehrerin. Sie hat seit geraumer Zeit mit ihrer starken Schlaflosigkeit zu kämpfen, die in ihrem Alltag überall zu beobachten ist. Die intakte Fassade zeigt Risse. Für eine Nacht kommt sie in ein Schlaflabor, wo sie Janis begegnet. Janis arbeitet als Krankenschwester und ist nach jahrelanger Tätigkeit im Krankenhaus mit Wechselschichten nun nachts im Schlaflabor tätig. Während die Menschen um sie herum schlafen und träumen, überwacht sie sorgfältig und erstellt Protokolle. Sie wohnt in einer gegensätzlichen Welt, beinahe wie herausgefallen.
„Dabei hat sie doch nur einen Wunsch. Sich hinhauen, Aufs Ohr legen. Eine Runde ratzen, pofen, knacken, dösen, schlummern, rasten, pennen, schnurkeln. In Morpheus Armen liegen will sie, heia machen und dabei eine Mütze Schlaf genießen. Ist es nicht komisch, dass die deutsche Sprache ausgerechnet für einen Akt des Nichtstuns so viele verschiedene Verben parat hält?“
In dieser einen Nacht im Schlaflabor werden die zwei Frauen Sina und Janis, deren Charaktere so unterschiedlich sind, zusammengebracht. Für beide stellt dies den Anfang einer außergewöhnlichen Reise zu ihrer eigenen Person dar. Es bedeutet jedoch auch, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen und verpasste Chancen zu überdenken.
In der Betrachtung der Geschichte sind mir zwei Aspekte besonders positiv aufgefallen: Zum einen die ruhige und sensible Erzählweise. Zum anderen wurde der Blick auf die extrem belastenden, oft als unwürdig empfundenen Arbeitszeiten in der Pflege gelenkt – ein Feld, das im gesellschaftlichen Diskurs leider immer noch nicht die Aufmerksamkeit erfährt, die ihm gebührt.
Dennoch bleibt nach der Lektüre eine gewisse Unzufriedenheit zurück. So sehr mich die behutsame Annäherung beeindruckt hat, so sehr vermisste ich eine tiefere Auseinandersetzung mit den Ursachen und Folgen der beschriebenen Zustände. Das Thema – so gewichtig und komplex, wie es ist – wurde, meiner Wahrnehmung nach, mit einer Leichtigkeit behandelt, die der Tragweite nicht ganz gerecht wird. Die Geschichte berührt, bleibt jedoch seltsam distanziert. Für ein Thema, das so viele bewegt und so gravierende gesellschaftliche Konsequenzen hat, hätte ich mir mehr Tiefe, mehr Nachhall gewünscht.
Das Cover zeigt die Illustration einer Frau mit dunklem, zurückgebundenem Haar, die aus einer roten Tasse trinkt, die sie in beiden Händen hält. Sie trägt ein blaues Oberteil.
- Der Schlaf der Anderen
- Tamar Noort
- Roman
- Rowohlt Verlag
- ISBN: 9783463000626
- 315 Seiten
- Erschienen 2025
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