Die Autorin Ulla Lenze hat in ihrem Roman die Geschichte ihres Großonkels Josef Klein verarbeitet.
Vor dem Kriegseintritt der Amerikaner brodelt es in den Straßen New Yorks. Antisemitische und rassistische Gruppierungen eifern um die Sympathie der Massen, deutsche Nationalisten feiern Hitler als den Mann der Stunde. Der deutsche Auswanderer Josef Klein lebt davon relativ unberührt; seine Welt sind die multikulturellen Straßen Harlems und seine große Leidenschaft das Amateurfunken. So lernt er auch Lauren, eine junge Aktivistin, kennen, die eine große Sympathie für den stillen Deutschen hegt. Doch Josefs technische Fähigkeiten im Funkerbereich erregen die Aufmerksamkeit einflussreicher Männer, und noch ehe er das Geschehen richtig deuten kann, ist Josef bereits ein kleines Rädchen im Getriebe des Spionagenetzwerks der deutschen Abwehr. Josefs verhängnisvoller Weg führt ihn später zur Familie seines Bruders nach Neuss, die den Aufstieg und Fall der Nationalsozialisten aus der Innenperspektive erfahren hat, und letztendlich nach Südamerika, wo ihn Jahre später eine Postsendung aus Neuss erreicht. Deren Inhalt: eine Sternreportage über den Einsatz des deutschen Geheimdienstes in Amerika.
Quelle Klett -Cotta
Als Josef Klein begreift, für wen er Spionage betreibt, für deutsche Nazis, möchte er sofort seine Tätigkeit beenden. Doch wird er von seinen Auftraggebern unter großen Druck gesetzt, bedroht und tätlich angegriffen.
Was ist die Operation Sternenstaub?
Wenn er auffliegt, bedeutet das für Josef, den elektrischen Stuhl, 1000 Volt schießen durch den Körper. Doch das Blatt scheint sich zu wenden.
Josef kehrt 1953 vorübergehend nach Neuss zurück. Er kann bei seinem Bruder Carl und dessen Familie wohnen. Es ist keine einfache Zeit für Josef und Carl. Sie versuchen sich einander anzunähern und gegenseitiges Vertrauen zu finden. Carl scheint mit den vorhandenen Möglichkeiten seinen Frieden gefunden zu haben. Josef jedoch hat Pläne, er will nach Costa Rica. Dort will er leben. Was soll er in diesem kaputten und verarmten Deutschland?
In amerikanischer Gefangenschaft war Josef gewesen, dort hatte man ihn gut behandelt.
Es gibt diesen einen Satz, den wird er nie vergessen. > Man sollt euch in eure deutschen Lager stecken. <
Seite 126
Ulla Lenze wechselt in ihren Kapiteln von New York nach Neuss und umgekehrt. Die Vergangenheit und die Gegenwart fließen angenehm einander zu. Josef Klein hat sich kein einfaches Leben ausgesucht. In New York wollte er zu Wohlstand kommen. Doch blieb er überall nur der kleine Deutsche. Mit und in seiner Heimat kam er nicht klar. Irgendwie ein Getriebener auf der Suche, auf der Suche nach sich selbst. Ulla Lenze schreibt hier schnörkellos. Emotionen sind verhalten, gedämpft. Der Roman liest sich eher wie eine Art Dokumentation, das wirkt stimmig. > Der Empfänger < ist ein Stück Zeitgeschichte, die es lohnt zu lesen.
Klett – Cotta / ISBN: 9783608964639 7 301 Seiten / Erschienen 2020
????von 5
Ulla Lenze, 1973 in Mönchengladbach geboren, studierte Musik und Philosophie in Köln und veröffentlichte insgesamt vier Romane, zuletzt »Der kleine Rest des Todes« (2012) und »Die endlose Stadt« (2015). Für ihre Arbeiten wurde sie mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Jürgen-Ponto-Preis für das beste Debüt 2003, dem Rolf-Dieter-Brinkmann-Förderpreis und dem Ernst-Willner-Preis beim Bachmann-Wettbewerb. 2016 erhielt Ulla Lenze für ihr Gesamtwerk den »Literaturpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft«.
Für ihren neuen Roman »Der Empfänger« hat sie die Lebensgeschichte ihres Großonkels fiktional verarbeitet. Ulla Lenze lebt in Berlin.
Quelle Klett – Cotta
Schreibe einen Kommentar