>An einem der letzten Februartage des Jahres 1935 brachten alle Belgrader Zeitungen die Nachricht, dass man in der Stiska-Staße 16a die Hausbesitzerin tot aufgefunden habe. Sie hieß Rajka Radakovic, stammte aus Sarajevo, lebte in diesem Haus schon an die fünfzehn Jahre ganz zurückgezogen das Leben einer einsamen alten Jungfer und galt als Geizkragen und Sonderling.<
So beginnt der Roman um die Hauptfigur Rajka mit ihrem Tode. Rajka ist das einzige Kind ihrer Eltern. Der Vater ist ein erfolgreicher Geschäftsmann in Sarajevo. Doch er geht bankrott und zerbricht daran. An seinem Totenbett gibt er seiner fünfzehnjährigen Tochter den Rat für ihr Leben: Spare, spare immer, überall, an allem und kümmere dich um nichts und niemand. Rajka hält sich strickt an diesen Rat und aus dem behüteten Mädchen wird alsbald eine hartherzige Frau die nur auf ihren Vorteil bedacht ist. Ihr Ziel, eine Million zu erwirtschaften. Die junge Frau ist geschäftstüchtig, verlangt Wucherzinsen und holt sich immer wieder neue Strategien ein. Sie lebt mit ihrer Mutter ein karges Leben und legt auf ihr Äußeres kaum sichtlichen Wert.
>Die Schönheit ist teuer, wahnsinnig teuer, aber nichtig und trügerisch. Es gibt keinen schlimmeren Verschwender und keine größere Verblendung.<
Der Plan von Rajka scheint in Erfüllung zu gehen, doch dann am 28. Juni 1914 wird der Thronfolger Österreich-Ungarns Erzherzog Franz Ferdinand und seine Gemahlin von einem Attentäter getötet. Dies löst den 1.Weltkrieg aus.
Nach dem Krieg geht Rajka mit ihrer Mutter ins Exil nach Belgrad. Dort verfällt sie dem Charme eines Hochstaplers.
Der Literaturnobelpreisträger Ivo Andric hat in > Das Fräulein < einerseits eine traurige Groteske kreirt und andererseits mutet es einer Parabel an. Das Buch lässt mich sehr nachdenklich zurück, da ein Leben einem so harten Zwang unterworfen wurde. Eine eindrückliche Charakterstudie.
Das Cover zeigt ein Gemälde einer jungen, gepflegten Frau.
- Das Fräulein
- Ivo Andric
- Roman
- Zsolnay
- ISBN: 9783552073418
- 267 Seiten
- Neuübersetzung von 2023
- entstanden 1944
- Deutsch von Edmund Schneeweis, überarbeitet von Katharina Wolf-Grießhaber
- mit einem Nachwort von Michael Martens
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