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Störche ~ Johannes Zeilinger

Kaum ein anderer Vogel ist so tief in der europäischen Kultur verwurzelt wie der Storch. Er wird nicht nur mit dem Neubeginn des Frühlings in Verbindung gebracht, sondern steht sinnbildlich für das Leben selbst, für Kindersegen und das Verheißungsvolle eines jeden Neuanfangs. Wenn der Storch auf seinen langen, roten Beinen durch frisch gemähte Wiesen schreitet und sein charakteristisches Klappern in der Dämmerung ertönt, scheint die Welt für einen Moment heil – als wäre die Harmonie zwischen Natur und menschlicher Ordnung wiederhergestellt. 

Bereits in der Antike wurde dem Storch eine besondere moralische Bedeutung zuteil. Die Griechen prägten eigens das Wort „Storchensage“ für die Vorstellung, dass Storchenkinder im Alter ihre Eltern versorgen würden. Diese Legende fand Eingang in zahlreiche Kulturen und spiegelt bis heute den Wunsch nach einer natürlichen, generationenübergreifenden Fürsorge wider. 

Doch nicht nur in Sagen und im Volksglauben ist der Storch präsent: Auch Märchen wie „Kalif Storch“ verstärkten das Bild eines treuen, monogamen Tieres. Die wissenschaftliche Forschung hat dieses Ideal inzwischen entzaubert: Störche halten nicht dem Partnervogel die Treue, sondern dem gewohnten Nistplatz. Sie kehren Jahr für Jahr dorthin zurück, unabhängig davon, welcher Partner sie erwartet – ein pragmatisches Verhalten, das dennoch weiterhin als Symbol für Beständigkeit und Heimkehr gilt. 

Lange Zeit rankten sich zahlreiche Rätsel um das Zugverhalten der Störche. Erst moderne Technologien wie Peilsender erlauben es, die oft tausende Kilometer langen Routen im Detail nachzuvollziehen. Dabei wurde deutlich, dass der Klimawandel auch vor diesem Symboltier nicht Halt macht: Immer mehr Störche verzichten auf die weite Reise nach Afrika und überwintern stattdessen im Süden Europas. Dort finden sie ausreichend Nahrung auf Mülldeponien – ein Sinnbild für die Anpassungsfähigkeit der Natur, aber auch ein Spiegelbild des menschlichen Einflusses auf die Lebensräume. 

So bleibt der Storch ein Tier zwischen den Welten: Er steht für das Erwachen, das Leben und die Hoffnung, aber auch für die Notwendigkeit, unser Verhältnis zur Natur immer wieder neu zu überdenken. In seinem Wandel spiegelt sich der Wandel der Menschheit selbst, und damit bleibt er, trotz aller Veränderungen, ein unvergängliches Symbol. Johannes Zeilinger hat ein charmantes Porträt der Störche erstellt, das durch sehr ansprechende Illustrationen der verschiedenen Storchenarten und deren Beschreibungen ergänzt wird. Mit großer Freude und ebenso großem Interesse habe ich diese Ausgabe gelesen. Ich wünsche ihr eine große Leserschaft.

Das Cover zeigt die Illustration eines roten Storches auf rotem Hintergrund. Alle Schriften sind in Weiß gehalten.

  • Störche
  • Johannes Zeilinger
  • Portrait
  • Matthes & Seitz Berlin 
  • ISBN: 9783751840248
  • 151 Seiten
  • Erschienen 2025

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