„Saturnin” war bereits der vierte Roman von Jakub Małecki, den ich gelesen habe und ich staune erneut darüber, dass dieser grandiose Erzähler hierzulande noch immer nur als Geheimtipp gilt.
Warschau, 2014. Saturnin, ein alleinstehender Handelsvertreter, dessen Körper noch immer die Disziplin vergangener Sportjahre trägt, erhält eines Abends einen Anruf seiner Mutter. Sie ist besorgt, der 96-jährige Großvater Tadeusz ist verschwunden. Ohne zu zögern lässt Saturnin die Großstadt hinter sich und kehrt in das Dorf seiner Kindheit zurück, entschlossen, seinen Großvater zu finden.
Was als Suche beginnt, entfaltet sich zu einer Chronik der Familie, einer leisen, doch unerbittlichen Reise durch die Zeit. Im Mittelpunkt steht ein Mann, der in seinem Herzen stets Musiker blieb. Einer, der lieber Melodien als Waffen getragen hätte, wäre ihm die Geschichte nicht in den Arm gefallen wie ein kalter Befehl. Wider Willen wurde er zum Partisanen, zum Rächer, zu jemandem, der er nie hatte sein wollen. Danach zog er sich zurück, hüllte sich in ein Schweigen, das schwerer wog als all die Jahre, denn der Krieg bewohnte ihn weiter.
Erst der Enkel vermag den Damm zu brechen. Zwischen bröckelnden Erinnerungen und verschütteten Wahrheiten beginnt der Großvater zu sprechen und Saturnin erkennt, dass die eigene Jugend mit einem Mal in neuem Licht schimmert, durchdrungen von einer Vergangenheit, die er nie verstanden hatte.
Jakub Małecki verwebt diese tiefgründige und vielschichtige Familiengeschichte mit einer Sprache, die voller Kraft ist. Durch die Augen einfacher, selbstbewusster Menschen auf dem Land zeichnet er ein lebendiges Porträt der jüngeren polnischen Geschichte. Sein tiefes psychologisches Gespür, sein menschlicher Blick und seine feinsinnige Vorstellungskraft machen sein Schreiben zu einer bedeutenden Stimme der europäischen Gegenwartsliteratur. Ausgesprochene Leseempfehlung!
- Saturnin
- Jakub Malecki
- Roman
- Secession Verlag
- ISBN: 978-3-907336-13-7
- Übersetzt von Renate Schmidgall
- Erschienen 2022
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