
Die Deutsche Buchpreisträgerin 2024 Martina Hefter, öffnet in ihrem 2018 erschienen Lyrikband den Blick auf einer in der Literatur selten beachteten Thematik: Die eines Pflegeheimes mit all seinen Facetten. Zu Beginn des Bandes, sind folgende Zeilen zu lesen:
Ich widme diese Arbeit meiner Schwiegermutter und allen alten Menschen , die in Pflegeheimen leben.
Die Schwiegermutter, genannt Schwermutter, ist in einem Pflegeheim untergebracht. Martina Hefter beobachtet die genauen, rollierenden Abläufe der Pflege, der Speisen und der Erinnerungslücken auf die frühere Blütezeit seitens der Schwiegermutter. Es geht hier auch ums Aushalten der neuen Lebensumstände, des ständig dahinschreitenden Verlustes der Mobilität und des Geistes und um die Eingebundenheit in den Sterbeprozess bis hin zum endgültigen Abschied. Trost geben die Worte, mit denen Martina Hefter Begegnungen und Empfindungen beschreibt. Ihre Texte gleiten durch eine ganz eigenwillige Choreografie.
Sie spricht nicht mehr, aber ihr Blick schießt herbei, trete ich ins Zimmer.
Wie geht es dir? Was gabs zu Mittag?
Am Ende einer Frage geht der Ton hoch, so sind wirs gewohnt.
Der Park hinterm Fenster zeigt die gepflasterten Wege plötzlich alle in ihrer tatsächlichen Länge, mehrfach parallel nebeneinandergelegt oder verschnörkelt in engen Schnecken, so oft rollten wir da entlang, ließen das Kräuterbeet welken, den Kirschbaum sterben, wie oft?
Dass der Fernseher ausgeschaltet ist, färbt das Zimmer, dunkel schon um eins, schwarz um zwei, um drei Krähen auf der Wiese.
Die Pfleger kommen rein, spielen die guten Geister,
aber spielen nur, das hier ist die materielle Welt.
Sie mittendrin, ich neben ihr
entschließe mich zum Heimweg.
Martina Hefter gibt in ihren Gedichten und Sprechtexten, dem Aushalten der Tagesstrukturen und dem Leben und Sterben in einem Heim die Worte, die immer wieder fehlen. Die nicht zu fassen sind. Die einem die Sprache schlichtweg versagen. Eine philosophische Annäherung, künstlerisch umgesetzt.
P.S. Und während ich immer wieder über diesen Band sinniere, kommt mir ein Satz ständig in den Sinn. § 1 des deutschen Grundgesetzes: Die Würde des Menschen ist unantastbar.
- Es könnte auch schön werden
- Martina Hefter
- Gedichte / Sprechtexte
- Kookbooks Verlag
- ISBN 9783937445908
- 111 Seiten
- Erschienen 2018
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