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Was wir wissen können ~ Ian McEwan

Der Roman setzt im Jahr 2119 ein. Die Erde ist weitgehend vom Meer verschlungen, Europa gleicht nur noch einem zerklüfteten Archipel. Freiheit und Wohlstand, wie sie einst selbstverständlich waren, erscheinen den Menschen längst wie eine ferne Erinnerung.
Der Literaturwissenschaftler Thomas Metcalfe begibt sich auf die Spur eines verschollenen Sonetts von unschätzbarer Bedeutung. Verfasst wurde es 2014 von dem Dichter Francis Blundy für seine Frau Vivien zu ihrem Geburtstag und nur ein einziges Mal öffentlich vorgetragen.
In den Relikten und Aufzeichnungen des berühmten Paares stößt Thomas jedoch nicht nur auf das Echo großer Liebe, sondern auch auf die Spuren einer verborgenen Leidenschaft und eines verdrängten Verbrechens.

Während er dem verschwundenen Sonett nachspürt, enthüllen sich ihm nach und nach auch die Geschichten jener Katastrophen, die die Welt in ihren heutigen Zustand gestürzt haben.

„Manche Historiker hielten 2022 und den russischen Einmarsch in die Ukraine für den Beginn des neuen dunklen Zeitalters. Nicht wenige Geschichtsbücher beginnen oder enden damit. Ich würde 2036 vorschlagen und den ersten einer Reihe von Klimakriegen zwischen Indien und Pakistan, seit alters her Feinde und beide Atommächte.”

Thomas Metcalfe berichtet zudem von einem Amerika, das in den Wirren eines Bürgerkriegs versank, und von der großen Flut des Jahres 2042, ausgelöst durch eine fehlgeleitete russische Wasserstoffbombe. Seit jener Katastrophe hat sich Großbritannien zu einer zerstreuten Archipel-Republik verkleinert. Die Weltwirtschaft brach in sich zusammen, und die Natur erhob sich unbarmherzig über die Menschheit. Während zu Lebzeiten Francis Blundys noch ein hohes Alter erreichbar war, liegt die durchschnittliche Lebenserwartung nun bei kaum mehr als zweiundsechzig Jahren.

Während Thomas Metcalfe unermüdlich nach dem Verbleib des Sonetts sucht, setzt er aus den Bruchstücken überlieferter Fakten und Vermutungen die Liebesgeschichte von Francis und Vivien zusammen. Eine Geschichte, die auch ihre dunklen Schatten trägt. Aus einer Fülle von Briefen und Tagebüchern rekonstruiert er jenen entscheidenden Abend von Viviens Geburtstag, in der großen Hoffnung, dort endlich auf das verschollene Gedicht zu stoßen.

Was wir wissen können ist ein dichter, atmosphärischer Roman, der sich in zwei Teile gliedert. Zunächst berichtet Thomas Metcalfe von den Veränderungen der Welt und seiner rastlosen Suche nach dem verschollenen Sonett. Im zweiten Teil erhebt Vivien selbst ihre Stimme: Sie erzählt von ihrem Leben mit ihrem ersten Ehemann Percy, dessen Demenz ihr gemeinsames Dasein überschattete, von ihrem Neubeginn mit dem Dichter Francis Blundy, und von ihren Gedanken und Empfindungen zu jenem besonderen Geburtstagsgeschenk, das alles veränderte.

Ian McEwans neuer Roman hat mich außerordentlich beeindruckt. Die zahlreichen katastrophalen Veränderungen, die er der Welt zuschreibt, wirken leider keineswegs unrealistisch. Der erste Teil um Thomas Metcalfe erschien mir stellenweise etwas ausschweifend, doch der zweite Teil mit Vivien hat dies mehr als ausgeglichen. Insgesamt ist Was wir wissen können ein meisterhaft komponiertes Werk. Ausgesprochene Leseempfehlung!

Das Cover zeigt eine weiße Säule, auf der eine Person mit abgewandtem Körper sitzt. Sie trägt einen roten Mantel und hat langes, braunes Haar. Sämtliche Schriftzüge sind in Schwarz gehalten.

  • Was wir wissen können
  • Ian McEwan
  • Roman
  • Diogenes Verlag
  • ISBN: 978-3-257-07357-7 
  • 480 Seiten 
  • Übersetzung von Bernhard Robben
  • Erschienen im September 2025

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