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Pusztagold ~ Clara Heinrich

Wie lebt man mit einem Partner, der an einer stigmatisierten Krankheit leidet? Wie geht man mit dieser Situation um?

Die Ich-Erzählerin und ihr Freund A. leben zunächst in Berlin, doch A.s Gesundheitszustand verschlechtert sich zunehmend. Sie steht ihm bei, pflegt ihn, und als die Situation untragbar wird, zieht das Paar in den Osten Österreichs, nahe der ungarischen Grenze. Dort finden sie in der Nähe der Familie der Erzählerin ein neues Zuhause. An einen Ort, an dem die Pflege besser organisiert werden kann und an dem sie versuchen, kleine Glücksmomente zu bewahren.

Die Erzählerin gründet eine Marktgärtnerei und widmet sich mit Hingabe ihrem großen Garten: der Züchtung alter Gemüsesorten, der Vermehrung von Saatgut und der Verbesserung der Bodenqualität. Doch trotz aller Hoffnung beginnt eine zermürbende Odyssee durch Arztpraxen und Krankenhäuser. Nach zahllosen Untersuchungen und wenig hilfreichen Ratschlägen wird schließlich die richtige Diagnose gefunden. Spät und nach einem langen, kräftezehrenden Weg.

„Es ist Herbst. Und A. bekommt endlich eine Diagnose: Myalgische Enzephalomylitis / Chronisches Fatique-Syndrom. Die Diagnose ist eine gute Nachricht. Die schlechte ist: Die Krankenkasse nimmt die Erkrankung nicht ernst, der Hausarzt kennt sie nicht einmal, der diagnostizierende Arzt in Heidelberg wird bald in Rente gehen, die Krankheit ist kaum erforscht, es gibt keine wirksam Medikation, wenig Aussichten auf Heilung. Es gibt kaum Spezialist*innen, und wenn man welche findet, sind sie privat. Der nächste Spezialist ist weit weg. Es gibt keine Termine, weil die Spezialist*innen vollkommen überlaufen sind, wenn sie überhaupt noch neue Patient*innen annehmen, Wartelisten über Monate.”

„Aufgrund der unklaren und umstrittenen Defination der Krankheit sind viele Ärzte nicht oder nicht ausreichend ausgebildet, sie zu erkennen. Deshalb klagen Patienten seit Jahrzehnten nicht nur über enorme Schwierigkeiten, überhaupt eine richtige Diagnose zu bekommen, sondern auch über Misstrauen, Vorwürfe und Herabwürdigungen vonseiten mancher Ärzte. – laut eines Artikels auf Wikipedia.”

Clara Heinrich verknüpft in ihrem poetischen, kunstvoll komponierten Text den Leidensweg von A. mit eindrucksvollen Landschaftsbeschreibungen ihrer Heimat und der Leidenschaft für das Züchten alter Pflanzensorten. Durch zahlreiche tiefgründige Zitate von Denkerinnen wie Donna Haraway, Anna Lowenhaupt Tsing, Joan Tronto und anderen verleiht sie ihrem Werk zusätzliche intellektuelle Tiefe und Resonanz. Pusztagold ist ein Buch über das widerständige, politische und künstlerische Potenzial von Fürsorge. Über das Wachsen, Pflegen und die Frage, ob sich eine Landschaft lesen lässt wie ein Gedicht. Ausgesprochene Leseempfehlung!

„Welche Landschaft würde man in dir finden?, frage ich A. Ich glaube zu mir passt die Region ganz gut. Die Weite und die Leere, die Trockenheit, die Artenvielfalt, die Stürme.”

Als Betroffene von ME/CFS war ich sehr berührt, wie Clara Heinrich ihren Umgang mit der Krankheit für mich teils philosophisch in ihr Debüt einfließen ließ. Die Arzttermine, mit all ihren Herausforderungen und Unsicherheiten, waren für mich ebenfalls prägend. Danke für dieses so wichtige Buch! Fürs Sichtbar machen einer unsichtbaren Erkrankung!

  • Pusztagold
  • Clara Heinrich
  • AKI-Verlag
  • ISBN:9783311350217
  • 288 Seiten
  • Erschienen im September 2025

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