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Der Junge im Taxi ~ Sylvain Prudhomme

In Sylvain Prudhommes Erzählung „Der Junge im Taxi“ erfährt der Ich-Erzähler Simon auf der Beerdigung seines Großvaters von seinem Onkel, dass sein Großvater einen deutschen Sohn namens „M.“ hinterlassen hat, der am Ende des Zweiten Weltkriegs am Bodensee gezeugt wurde. Simon, der derzeit selbst in einer Krise ist, ist mit seiner Frau getrennt und vermisst seine zwei Söhne sehr an den Tagen, an denen sie nicht zusammen sind.

„Und jetzt spürte ich die Leere, die ihre Abwesenheit in mir hervorrief. Die Trauer darüber, dass weder sie noch die Kinder da waren. Die Vorstellung ihrer leeren Zimmer da oben. Ihrer leeren Betten. Das Fehlen ihrer warmen Körper, an die ich mich hätte kuscheln können. Ihrer warmen Wangen, die ich im Dunkeln hätte küssen können, um ihnen eine gute Nacht zu wünschen.”

Simon ist fasziniert an der Geschichte um den deutschen Jungen und so begibt er sich auf die Suche nach diesem verleugneten Familiengeheimnis. Er reist von Südfrankreich an den Bodensee, um den Lebensweg des „Besatzungskindes“ zu erforschen und mehr über seine eigene Familie zu erfahren. Dabei stößt er auf Themen wie Liebe, Schweigen, persönliche Krisen sowie historische Aspekte der Besatzungszeit und des Algerienkriegs.

Den unmittelbaren Inhalt möchte ich nicht weiter ausführen, da ich denke, dass ich damit zu viel von dieser besonderen Geschichte verraten würde. Ich möchte jedoch betonen, dass Sylvain Prudhomme zwei interessante Stränge in einer eleganten Prosa verbunden hat. Einerseits die zentrale Erzählung über das verschwiegenes Besatzungskind und deren Konsequenzen, andererseits Simons Verlust infolge der Trennung. Wie wirkt sich diese schmerzliche Situation auf die Kinder, die Eltern und das Umfeld aus? Nach dem Ende der Besatzungszeit wurden so viele Kinder von ihren Vätern verlassen. In der Zeit nach dem Krieg wurden in Deutschland zehntausende Kinder geboren, deren Väter Besatzungssoldaten waren. Die Mütter litten sehr unter dem Stigma, ein Kind freiwillig oder unfreiwillig mit dem „Feind“ gezeugt zu haben. Das Leben für diese Kinder war und ist niemals leicht. Sylvain Prudhomme hat ihnen jedoch eine Stimme verliehen und ist tief in die klaffende Wunde eines Tabuthemas eingedrungen. Der Roman „Der Junge im Taxi“ ist spannend und emotional; er hinterlässt einen nachhaltigen Eindruck. Ausgesprochene Leseempfehlung!

Das Cover zeigt eine Schwarz-Weiß-Aufnahme mit vermutlich zwei Jungen im Teenageralter. Der Autorenname sowie der Name des Verlages sind in blauer Schrift, während der Titel in roter Schrift dargestellt ist.

  • Der Junge im Taxi
  • Sylvain Prudhomme
  • Roman 
  • Unionsverlag
  • ISBN: 9783293006324
  • 182 Seiten
  • Übersetzt von Claudia Kalscheuer
  • Erschienen im Juli 2025

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